Lokalpolitik mit NS Vergangenheit

Vom Umgang mit Geschichte – Fakten, Interpretationen und Deutungen

Prof. Dr. Johannes Tuchel

„Normalität der Integration oder Ignoranz der Verbrechen? Überlegungen zur Darstellung des Generalrichters Manfred Roeder in Ingrid Bergs Aufsatz „Kommunalpolitik mit NS‐ Vergangenheit? Manfred Roeder als Beigeordneter in Glashütten“

Lesen Sie hier den Kommentar von Johannes Tuchel „Normalität der Integration oder Ignoranz der Verbrechen?“

Saskia Kewitz

Aus vergangenen Fehlern lernt man nur, wenn man sie nicht entschuldigt, verdrängt und vergisst. Angesichts des heutigen Umbaus unserer gewohnten Gesellschaft ist ein reflektierter Umgang mit unseren Mitmenschen unabdinglich. Das Anlegen ethischer Maßstäbe ist notwendig – nicht der unmittelbare Nutzen aus einer Zusammenarbeit mit einem unbelehrbaren Täter.

Ingrid Bergs Aufsatz über Manfred Roeders Wirken in der Kommunalpolitik Glashüttens, erschienen im Jahrbuch des Hochtaunuskreises 2018 – eine Analyse von Saskia Kewitz  hier.

Christoph Klomann

Um den entstandenen Schaden für Glashütten zu minimieren und um aller Welt zu zeigen „Wir haben verstanden!“, fordere ich das Nachdenken über die Aufstellung einer gemeindefinanzierten Ehrentafel mit den Namen aller Opfer Roeders, aufgestellt in Glashütten.

Ein Kommentar von Christoph Klomann zum Umgang mit Vergangenheit hier.

Reinhard Nickchen

Als ich vor Jahren in einer Gemeindevertreter-Versammlung das Thema ‚Manfred Roeder‘ anschneiden wollte, wurde mir das Wort entzogen. Daraufhin begann ich Manfred Roeder und sein Wirken in Glashütten zu recherchieren. Ich musste bald erkennen dass man nicht nur versuchte das Thema zu vertuschen – man setzte nun auch alles daran, das Wirken dieses Nazi-Richters zu verharmlosen und falsche Fakten verbreiten zu lassen.

Fake News dürfen jedoch im Zusammenhang mit nationalsozialistischer Vergangenheit KEINE CHANCE erhalten. Es ist meine Zielsetzung, diesen Machenschaften mit Unterstützung angesehener Fachleute vehement entgegenzutreten und entsprechende Aufklärung zu betreiben!

Lesen Sie hier mehr Die Nestbeschmutzer.

Sigrid Börgerding

Der Umgang mit Manfred Roeder in Glashütten hat mir gezeigt, wie unsere Geschichte bis heute nachwirkt. Ich wehre mich dagegen, das ich nicht sagen darf, was ich als Verharmlosung empfinde. Wenn auf der Webseite der Gemeinde Glashütten zum Prozess gegen die Rote Kapelle steht, „45 Personen wurden zum Tode verurteilt“ dann vermisse ich das Wort „zu Unrecht“.  Schön, das die Gemeinde jetzt einen sensibleren Umgang anstrebt und den Eintrag entfernt hat. Wünschenswert ist eine Gemeindeseite, die sich eingehend mit der Entwicklung Glashüttens in und nach der NS-Zeit beschäftigt.

Klaus Hindrichs

Nach meinem demokratischen Verständnis besteht unsere Verantwortung darin, alles dafür zu tun, die Vergangenheit zu hinterfragen und zu verstehen. Nur die Sammlung an sachlichen Quellen von Daten, Fakten und Belegen ermöglicht uns, die Historie aufzuarbeiten mit dem Ziel für die Zukunft zu lernen.

Ines Nickchen

Um Bewusstsein für das Jetzt und die Zukunft zu schaffen muss ehrlich mit brauner Vergangenheit umgegangen werden. Das trifft auf alle an der Vergangenheit Beteiligten und die darüber Berichtenden zu. Für Nachkommen sollte es 2019 in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sein wahrheitsgemäß mit Fakten umzugehen. Die Opfer mussten das schon immer.

Klaus Schmitt

Die Fakten sprechen lassen.

Beate Sauer

Die anfängliche Frage meiner Recherche war: warum kam Roeder nach Glashütten? Meiner heutige Antwort: er traf im Taunus seine Spießgesellen wieder, darunter auch Entlastungszeugen aus dem Lüneburger Prozess, die sich in der Gruppe Gehlen auf dem Rettershof formierten, dem späteren BND. Ehemalige Nazis, die sich so neu erfinden wollten. Ein jahrzehntelang andauernder Prozess.

Warum interessiert Manfred Roeder, Generalrichter a.D. heute noch?

Das fragt jeder, dem wir von unserer Initiative zur Aufklärung erzählen.

Es beginnt 2015 ganz banal mit einem Schild im Wald. Auf dem Waldglasweg, den die Künstlerin Ines Nickchen konzipiert hat, befinden sich verschiedene Glasinstallationen. In einer dieser Stationen mit Glaskunstwerken steht plötzlich eine Schautaufel mit dem Bild eines Bürgermeisters Glashüttens, dazu ein Text zu seinem Wirken.

Der Blick in das Wirken und Umfeld dieses Bürgermeisters bringt eine bis dahin eher unbekannte Tatsache zu Licht – Franz Johann Gottschalk arbeitete eng mit einem der unbarmherzigsten Juristen Hitlers zusammen. Es handelte sich um Manfred Roeder, Generalrichter a.D., der sich damit gebrüstet hatte „dem Führer etwa 90 Köpfe zur Verfügung gestellt zu haben“.

Manfred Roeders zweite, stillere Karriere  in der kommunalen Verwaltung Glashüttens

Manfred Roeder zog 1963 mit seiner Familie nach Glashütten im Taunus. Schon 1964 wurde er Beigeordneter im Gemeindevorstand Glashüttens und wirkte bis kurz vor seinem Tod in der Verwaltung Glashüttens mit.

Es ist bekannt, dass NS-Juristen auch im Nachkriegsdeutschland arbeiteten – auf allen Ebenen. Überraschend ist jedoch der heutige Umgang mit dieser Vergangenheit.

Im Jahrbuch des Hochtaunuskreises (2018)¹ erscheint ein Artikel, der sich mit einer möglichen NS-Vergangenheit der Politiker der Gemeinde auseinandersetzt und Roeder in ein mildes Licht rückt. Damit gewinnt die Diskussion weiter an Fahrt.

Bürger, die gegen das Schild argumentieren, werden als Nestbeschmutzer bezeichnet. Sie erhalten Redeverbot in einer Gemeindevertretersitzung. Eines der Glaskunstwerke wird mit einem Hammer zerstört.

Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, sieht sich zu einer energischen Stellungnahme² genötigt – der Artikel im Jahrbuch soll nicht unwidersprochen bleiben. Die Gegendarstellung wird im nächsten Jahrbuch veröffentlicht werden.

Der kritische Umgang mit der Vergangenheit zeigt, ob wir die Staatsform der Demokratie und das Recht jeden Einzelnen auf Widerstand gegen Unrecht würdigen.

Es ist schwer, es zugleich der Wahrheit und den Leuten recht zu machen.

Thomas Mann

¹ Der Artikel „Kommunalpolitik mit NS‐ Vergangenheit? Manfred Roeder als Beigeordneter in Glashütten“ ist erschienen im Jahrbuch Hochtaunuskreis 26 (2018), S. 205 ff. , von Ingrid Berg

² Die Stellungnahme „Normalität der Integration oder Ignoranz der Verbrechen? Überlegungen zur Darstellung des Generalrichters Manfred Roeder in Ingrid Bergs Aufsatz „Kommunalpolitik mit NS‐ Vergangenheit? Manfred Roeder als Beigeordneter in Glashütten“ von Prof.Dr. Johannes Tuchel (Download: Johannes Tuchel „Normalität der Integration oder Ignoranz der Verbrechen?“)