Manfred Roeder nach Kriegsende

09. Mai 1945 – Roeder gerät in Lend in Tirol in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

15.09.1945 – Anzeige von Minister a. D. Adolf Grimme bei der britischen Militärregierung wegen Körperverletzung im Amt und Aussageerpressung. Daneben eine gemeinsame Anzeige von den ehemaligen Angeklagten im Verfahren »Rote Kapelle« Adolf Grimme, Günter Weisenborn und Greta Kuckoff beim Internationalen Militärtribunal in Nürnberg.

Ab November 1946 in Nürnberg inhaftiert.

Ab 1946 Verhör vom Nürnberger Militärgericht. Ein Verfahren kommmt jedoch nicht in Gang. »Kalter Krieg« – ehemalige Angehörige der »Roten Kapelle« werden bereits seit Mitte 1947 von den US-Amerikanern observiert. Roeder stellt sich jetzt den Amerikanern als jemand dar, dem es 1942 gelungen war, in das feindliche Netz der »Roten Kapelle« – für die US-Amerikaner ein Synonym für kommunistische Spionagetätigkeit – einzudringen.

Anfang 1947 – Roeder stellt für die Amerikaner einen 37seitigen Bericht über die »Rote Kapelle« fertig, in dem er sein Zerrbild der »Roten Kapelle« wiederholt.

Am 30.06.1947 – Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft durch das Internationale Militärgerichts Nürnberg. Wegen der gegen ihn laufenden Ermittlungen der US- Behörden weiterhin in Nürnberg interniert.

31.12.1947 – Bericht des Hauptquartiers des CIC (Counter Intelligence Corps, Spionageabwehr der US-Armee): Manfred Roeder hat den Decknamen »Othello« und sagt aus, dass die »Rote Kapelle weiterhin lebendig und aktiv« sei, und dass sie »trotz

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gewisser Interessen und Versuche, sie als Widerstandsorganisation darzustellen, in Wirklichkeit ein von den Sowjets kontrolliertes Spionagenetz« sei.

Sommer 1948 – die amerikanische Militärregierung gibt das Ermittlungsverfahren gegen Roeder an die deutsche Staatsanwaltschaft in Nürnberg ab.

25.10.1948 – Haftbefehl gegen Roeder durch das Amtsgericht Nürnberg, Untersuchungshaft. Roeder sei »dringend verdächtig, in Berlin in den Jahren 1942 und 1943 als Untersuchungsführer in den militärgerichtlichen Verfahren der sogen. „Roten Kapelle“ und der „Depositenkasse“ 1. durch mehrere selbständige Handlungen als Beamter in einer Untersuchung Zwangsmittel angewendet oder deren Anwendung zugelassen zu haben, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen …« und »2. … als Beamter in Ausübung seines Amtes die Begehung einer schweren Körperverletzung zugelassen zu haben. . .«. Wichtigster Entlastungszeuge für Roeder ist ausgerechnet der damalige Vorsitzende des Reichskriegsgerichts beim Prozess gegen die »Rote Kapelle«, Dr. Kraell.

07. Januar 1949 – dem Antrag Roeders auf Haftentlassung wird vom Amtsgericht Nürnberg stattgegeben. Roeder begibt sich zu seiner Familie in Neetze. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wird an die Staatsanwaltschaft in Lüneburg übergeben.

In Lüneburg führen zwei ehemalige NS-Juristen die Untersuchungen im Ermittlungsverfahren gegen Roeder wg. Aussageerpressung durch – Oberstaatsanwalt Wilhelm Kumm und Staatsanwalt Dr. Hans-Jürgen Finck. Beide haben Sympathien für Roeder.

1951 – Staatsanwalt Finck fasst das Ergebnis sämtlicher Ermittlungen gegen Roeder seit 1946 in einem »Schlußbericht des Oberstaatsanwalts in Lüneburg« zusammen. Finck behauptet: Es »fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, daß die Durchführung der Verfahren gegen die Angehörigen der Gruppe Schulze-Boysen/Harnack ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt.« Es »läßt sich nicht widerlegen, daß die Todesurteile rechtmäßig waren. .. Die Militäropposition habe ein ungeheures Maß an Schuld auf sich genommen…. Blut deutscher Soldaten sei »unnütz und unschuldig durch ihre Verratshandlungen geflossen«. Das Verfahren wird eingestellt.

1951 – Roeder hält öffentliche Vorträge zum Thema »Rote Kapelle« für die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei (SRP), eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, für ihren Wahlkampf in Niedersachsen.

27.04.1951 – Die Frankfurter Allgemeine Zeitung druckt Roeders Diffamierungen der »Roten Kapelle« ab: »Was war die Rote Kapelle«, Untertitel: »Der frühere Generalrichter Roeder bezeichnet ihre Mitglieder als Hochverräter«.

06.05.1951 – Der Stern beginnt eine neunteilige Serie unter dem Titel »Rote Agenten unter uns. Ein Bericht über das sowjetische Spionagenetz von der „Roten Kapelle“ bis zur Agentenschule Potsdam.« Der Tenor der Serie entspricht weitgehend der Sicht Roeders: Die Mitglieder der Gruppe Schulze-Boysen/Harnack werden nicht als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime gewürdigt, sondern als Landesverräter moralisch verurteilt.

1952 – Roeder veröffentlicht eine 36-seitige Broschüre »Die Rote Kapelle. Europäische Spionage. Aufzeichnungen des Generalrichters Dr. M. Roeder«. Roeder sieht die »Rote Kapelle« auch in der Gegenwart als kommunistische Spionageorganisation am Werk: Es gäbe »guten Grund zu der Annahme, daß eben jetzt das Netz der „Roten Kapelle“ von neuem gewoben wird. Das Thema „Rote Kapelle“ darf nicht ruhen, nicht nur, weil sie noch besteht, sondern weil man eben dabei ist, sie wieder in Aktion zu setzen.«

31.03.1955 – Roeder wird in Lüneburg vom Oberbundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Experte angehört. Er gilt nun offensichtlich als Experte im Blick auf sowjetische bzw. kommunistische Spionagetätigkeit.

1952 – Roeder setzt seine Diffamierungskampagnen gegen Opfer des NS-Regimes fort. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1952 die SRP als NSDAP-Nachfolgeorganisation für verfassungswidrig erklärt, hält Roeder auf Veranstaltungen der rechtsradikalen Deutschen Reichspartei (DRP) Vorträge über die »Rote Kapelle«. Auch vor dem neonazistischen »Luftwaffenring« in Hamburg äußert er sich zu diesem Thema.

1957 – Zeuge für den Angeklagten im Schwurgerichtsprozess gegen den ehemaligen NS- Feldmarschall Ferdinand Schörner, der im Zweiten Weltkrieg Soldaten der Wehrmacht (z.T. ohne Gerichtsverfahren) hatte erschießen lassen.

1961 – Verkauf des Gutes Neetze und Umzug

Quellen:

Wikipedia

Heinrich Grosse „Ankläger von Widerstandskämpfern und Apologet des NS-Regimes nach 1945 – Kriegsgerichtsrat Manfred Roeder

Ingrid Berg Jahrbuch HTK 2018 „Kommunalpolitik mit NS-Vergangenheit? Manfred Roeder als Beigeordneter in Glashütten, JaBu 2018, S. 205 – 219“