Lokalpolitik mit NS Vergangenheit
Vom Umgang mit Geschichte – Fakten, Interpretationen und Deutungen
Warum interessiert Manfred Roeder, Generalrichter a.D. heute noch?
Das fragt jeder, dem wir von unserer Initiative zur Aufklärung erzählen.
Es beginnt 2015 ganz banal mit einem Schild im Wald. Auf dem Waldglasweg, den die Künstlerin Ines Nickchen konzipiert hat, befinden sich verschiedene Glasinstallationen. In einer dieser Stationen mit Glaskunstwerken steht plötzlich eine Schautaufel mit dem Bild eines Bürgermeisters Glashüttens, dazu ein Text zu seinem Wirken.
Der Blick in das Wirken und Umfeld dieses Bürgermeisters bringt eine bis dahin eher unbekannte Tatsache zu Licht – Franz Johann Gottschalk arbeitete eng mit einem der unbarmherzigsten Juristen Hitlers zusammen. Es handelte sich um Manfred Roeder, Generalrichter a.D., der sich damit gebrüstet hatte „dem Führer etwa 90 Köpfe zur Verfügung gestellt zu haben“.
Manfred Roeders zweite, stillere Karriere in der kommunalen Verwaltung Glashüttens
Manfred Roeder zog 1963 mit seiner Familie nach Glashütten im Taunus. Schon 1964 wurde er Beigeordneter im Gemeindevorstand Glashüttens und wirkte bis kurz vor seinem Tod in der Verwaltung Glashüttens mit.
Es ist bekannt, dass NS-Juristen auch im Nachkriegsdeutschland arbeiteten – auf allen Ebenen. Überraschend ist jedoch der heutige Umgang mit dieser Vergangenheit.
Im Jahrbuch des Hochtaunuskreises (2018)¹ erscheint ein Artikel, der sich mit einer möglichen NS-Vergangenheit der Politiker der Gemeinde auseinandersetzt und Roeder in ein mildes Licht rückt. Damit gewinnt die Diskussion weiter an Fahrt.
Bürger, die gegen das Schild argumentieren, werden als Nestbeschmutzer bezeichnet. Sie erhalten Redeverbot in einer Gemeindevertretersitzung. Eines der Glaskunstwerke wird mit einem Hammer zerstört.
Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, sieht sich zu einer energischen Stellungnahme² genötigt – der Artikel im Jahrbuch soll nicht unwidersprochen bleiben. Die Gegendarstellung wird im nächsten Jahrbuch veröffentlicht werden.
Der kritische Umgang mit der Vergangenheit zeigt, ob wir die Staatsform der Demokratie und das Recht jeden Einzelnen auf Widerstand gegen Unrecht würdigen.
„Es ist schwer, es zugleich der Wahrheit und den Leuten recht zu machen.“
Thomas Mann
¹ Der Artikel „Kommunalpolitik mit NS‐ Vergangenheit? Manfred Roeder als Beigeordneter in Glashütten“ ist erschienen im Jahrbuch Hochtaunuskreis 26 (2018), S. 205 ff. , von Ingrid Berg
² Die Stellungnahme „Normalität der Integration oder Ignoranz der Verbrechen? Überlegungen zur Darstellung des Generalrichters Manfred Roeder in Ingrid Bergs Aufsatz „Kommunalpolitik mit NS‐ Vergangenheit? Manfred Roeder als Beigeordneter in Glashütten“ von Prof.Dr. Johannes Tuchel (Download: Johannes Tuchel „Normalität der Integration oder Ignoranz der Verbrechen?“)